Der Happy Place
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Auf dem Bild ist einer meiner Happy Places in unserem neuen Apartment hier in Peking zu sehen. Im Moment habe ich häufig das Gefühl, dass dieses neue Heim eigentlich ein bisschen groß für uns ist. Auf Netflix gibt es die Sendung „Tiny House Nation“, die ich sehr gerne schaue. Das erscheinen mir eigentlich angemessen große Häuser, die dazu noch richtig gemütlich sind. Seitdem wir mit gerade einmal einem 3,5m3 großen Container und 12 großen und kleinen Koffern umgezogen sind, kann ich mir tatsächlich vorstellen, dass es möglich ist, in diesen Minihäusern zurecht zu kommen. Es würde sich ein bißchen mehr nach Urlaub und zelten anfühlen: Der Weg nach draussen wäre super kurz, der Weg zu den Kindern noch viel kürzer.
Unser Apartment ist mit seinen wohl über 200m2 nun sehr weit weg von einem Tiny House entfernt und spätestens wenn irgendwo Musik läuft, können wir uns mit der Stimme gar nicht mehr erreichen. Dann müssen schon die Füsse herhalten und wir müssen uns tatsächlich in die Augen schauen, um miteinander sprechen zu können.
Insofern fühlt sich das gute Stück oft noch sehr groß an. So lange noch nicht alle Räume von dem scheußlichen Deckenlicht befreit sind (direktes Deckenlicht ist in meinen Augen übrigens immer schlimm, dafür muss es noch nicht einmal ganz unterirdisch eine Leuchtstoffröhre oder etwas ähnliches sein) und wir in jede Ecke eine kleiner (Tisch-) Lampe gestellt haben, wird es vielleicht noch einen Moment dauern, bis ich mich so richtig heimisch fühle. Ich bin voller Bewunderung für jeden, der das nicht sieht oder noch besser – nicht spürt. Ich vermute, dass ein Gendefekt bei mir hinter diesem Lichtspleen steckt.
Aber dieser Happy Place auf dem Bild – der fühlt sich schon jetzt sehr anders an: Halte ich mich an diesem Ort auf, wird zunächst einmal das Deckenlicht natürlich ausgelassen und nur wenn nötig das warme Nachttischlicht angemacht. Dann wird die Matte in die Mitte gezogen und in Ruhe die Kerze angezündet. Beim beugen merke ich, dass die Entscheidung für ein bisschen Zeit auf der Matte genau richtig war. Oft fühle ich mich dabei steif und ein bisschen ungelenk,
Die darf nur brennen, wenn ich mich tatsächlich auf der Matte aufhalte. Und die wird nicht mit einem profanen Feuerzeug angezündet. Nein, hier liegt extra eine Streichholzschachtel bereit, die das Abschiedsgeschenk von einer befreundeten Familie aus Deutschland war. Ich weiß gar nicht, ob man das im Koffer, der aufgegeben wurde, transportieren darf. Oder muss das ins Carry On laguage? Oder etwa in den Container? Ich vermute, wir haben es falsch gemacht und das gute Stück unwissentlich geschmuggelt, aber das ist egal. Diese Packung wird in jedem Fall leer sein bis wir das Land wieder verlassen und bis dahin wird sie mir wirklich schöne Momente bereitet haben.
Nachdem die Kerze angezündet ist, stelle ich mich in die Mitte der Matte und fange an, mit den Armen in alle möglichen Richtungen zu schwingen. Es ist wirklich lustig, weil es praktisch sofort anfängt, in meinem Rücken, in den Schultern, in den Armen und Beinen… zu knacken. Keine riesen Einrenkgeräusche, nur kleine Klicks, die zeigen, das irgendetwas wieder an die richtige Stelle rutscht. Und ich atme. So tief in den Bauch wie möglich. Und dann fang ich an, Danke zu sagen: Für den Tag, den Sonnenschein, den Sport, den ich schon gemacht habe… was auch immer mir einfällt. Dann bete ich kurz für eine ganz bestimmte Person, die mir wichtig ist. Ich habe gesagt, ich werde so lange immer wieder für sie beten, bis die Kerze irgendwann leer gebrannt ist. Bevor ich mich dann langsam zum Boden strecke, benenne ich eine Sache, die mich gerade traurig macht. Eine Freundschaft, die nicht mehr funktioniert, eine Schwierigkeit mit den Kindern, ein akutes Problem, ein Erlebnis, dass schon ewig zurück liegt und mir trotzdem noch weh tut oder eine Spannung in mir, die mir gerade bewusst ist und wir schwer fällt zu leben. Und dann lasse ich los und atme bewusst die Spannung aus dem Körper raus. Ein paar Kraftübungen gibt es auch zwischendrin, aber eigentlich geht es darum, weich zu werden und einfach sein zu dürfen.
Ich brauche ca. eine halbe Stunde. Nach dem letzten bewusst langsamen Aufrollen der Wirbelsäule, atme ich noch dreimal tief ein und aus, gehe zwei Schritte nach vorne und beuge mich der Kerze entgegen. Und dann ist deutlich zu spüren, dass das gut investierte Zeit war. Ich habe die Spannungen und den Schmerz an manchen Stellen gespürt und war wie jedes Mal erstaunt, wie sich ein guter Teil davon beim bewussten atmen löst und ich beweglicher werde.
Ich fühle mich entspannt, manchmal müde und bereit ins Bett zu gehen, manchmal auch einfach ausgeglichen und bereit, mich in die nächste Aufgabe zu stürzen – und puste die Kerze aus.
Ich bin unendlich dankbar, für diesen Happy Place und den Luxus von genug Platz, um die Matte nur zur Seite schieben zu können und sie nicht zusammenrollen zu müssen. Und den Luxus von Zeit und Ruhe, um dort einfach zu sein.
The Happy Place
The picture shows one of my Happy Places in our new apartment here in Beijing. At the moment I often have the feeling that this new home is actually a bit big for us. On Netflix there is the show „Tiny House Nation“, which I love to watch. These seem to me to be reasonably large houses, which are also really cozy. And since we moved with just one 3.5m3 container and 12 big and small suitcases, I can actually imagine that it is possible to get along in these mini houses. It would feel a bit more like a holiday and camping: The way outside would be super short, the way to the children even shorter.
Our apartment with its probably more than 200m2 is now very far away from a Tiny House and at the latest when music is playing somewhere, we can’t reach each other with our voices anymore. Then we have to make use of our feet and we really have to look into each other’s eyes to be able to talk to each other.
In this respect the good piece often still feels very big. As long as not all rooms are freed from the hideous ceiling light (direct ceiling light is always bad in my eyes, by the way, but it doesn’t even have to be a fluorescent tube or something similar underground) and we have put a small (table) lamp in every corner, it might take a moment until I feel really at home. I am full of admiration for everyone who doesn’t see it or even better – doesn’t feel it. I suspect that I have a genetic defect behind this light spleen.
But this Happy Place in the picture – it already feels very different: If I stay at this place, the ceiling light is left out naturally and the warm night table light is turned on only when necessary. Then the mat is pulled into the middle and the candle is lit in peace. When I bend, I notice that the decision to spend a little time on the mat was exactly right. Often I feel stiff and a bit awkward.
The candle can only burn when I’m actually on the mat. And it’s not lit with a profane lighter. No, there is an extra matchbox here, which was a farewell present from a family back in Germany. I don’t know if it’s allowed to be transported in a suitcase that has been checked in. Or does it have to be stored in the Carry On? Or into the container? I suppose we did it wrong and unwittingly smuggled the good piece, but that doesn’t matter. In any case, this package will be empty until we leave the country again and until then it will have given me really nice moments.
After the candle is lit, I stand in the middle of the mat and start swinging my arms in all possible directions. It’s really funny because it practically starts cracking in my back, shoulders, arms and legs… right away. No giant clicks, just small clicks showing that something is slipping back to the right place. And I breathe. As deep into the tummy as possible. And then I start to say thank you: for the day, the sunshine, the sport I’ve already done… whatever comes to mind. Then I briefly pray for a very specific person who is important to me. I said I would pray for her again and again until the candle burns empty. Before I slowly stretch to the ground, I name one thing that makes me sad right now. A friendship that no longer works, a difficulty with the children, an acute problem, an experience that goes back forever and still hurts me, or a tension in me that I am aware of right now and we find it difficult to live. And then I let go and consciously breathe the tension out of my body. There are also a few strength exercises in between, but it’s actually about becoming soft and being allowed to be simple.
I need about half an hour. After the last consciously slow rolling up of the spine, I breathe in and out deeply three more times, take two steps forward and bend towards the candle. And then you can clearly feel that this was well invested time. I felt the tension and the pain in some places and was amazed, as every time, how a good part of it is released when I breathe consciously and how I become more mobile.
I feel relaxed, sometimes tired and ready to go to bed, sometimes just balanced and ready to throw myself into the next task – and blow out the candle.
I am infinitely grateful for this happy place and the luxury of enough space to just push the mat aside and not have to roll it up. And the luxury of time and quiet to just be there.